Emobilität.wien führte ein Exklusivinterview mit zwei Co-Foundern von Caroo Mobility, ein E-Carsharing-Anbieter in Wien. Beim zweiten und letzten Teil des Interviews betrachten die Voralberger Gründer den Freefloating-Markt in Wien, wann sie mit Ihrer Geschäftsidee Geld verdienen werden und welche Rolle der Umweltgedanke bei ihrer Geschäftsidee spielt?

Emobilität.wien: Es gibt in Wien bereits Freefloating-Anbieter. Seid ihr im Wettbewerb mit DriveNow und Car2Go und sprecht ihr die selbe Zielgruppe an?

Leroy Hofer: Wir sehen uns als Ergänzung zu den momentanen Anbietern. Den Renault Twizy sehen wir für die ähnliche Zielgruppe von Car2Go (Daimler). Weil er auch sehr klein und wendig ist. Er ist im Moment das umweltfreundlichste Auto am Markt und verbraucht 6 kWh auf 100 km. Im Vergleich zum BMW i3 von DriveNow (BMW) ist das weniger als die Hälfte. Er passt in jede Parklücke, weil er nochmal wesentlicher kleiner ist als ein Smart von Car2Go. Die Zielgruppe für den Renault Twizy wird wahrscheinlich eher jünger sein, oder einfach Personen umfassen, die bewusst auf Verbrennungsmotoren verzichten und sich aktiv ökologisch fortbewegen.

Nico Prugger: Der Renault Zoe ist eine Ergänzung zu DriveNow, weil er sehr komfortabel ist. Er hat fünf Plätze, ist gut ausgestattet, hat eine Klimaautomatik und eine Heizung. Wir sind nicht wirklich Konkurrenten zu Daimler oder BMW. Wir versuchen eher ein Bio-Zwilling zu sein.

Emobilität.wien: Man spricht davon, dass sich flexibles Carsharing noch nicht so richtig rentiert. Wann rechnet ihr damit, mit eurem Business-Modell Geld zu verdienen?

Nico Prugger: Wir haben geplant, dass nach rund dreieinhalb bis vier Jahren der Cashflow positiv sein wird, also der Break-Even erreicht ist. Zu Beginn werden wir auch ganz günstig selber arbeiten, weil es bei einem Start-up nicht anders funktioniert. Die drei bis vier Jahre sind als Worst Case gerechnet, mit niedrigen User-Zahlen und mit niedriger Auslastung.

Leroy Hofer: Es wird auch stark von der Parkplatzsituation abhängen, weil die Parkpauschale in Wien mit rund 2.500 Euro sehr hoch ist. Das sind für uns die höchsten Kosten. Alles was sich hier verbessert, würde uns zu Gute kommen. Die grünen Nummerntafeln bieten jetzt die Chance für die Stadt Wien, dass man hier mit Anreizen dem Carsharing entgegenkommen kann.

Emobilität.wien: Welche Fahrten werden mit euren Fahrzeugen in Wien getätigt werden?

Nico Prugger: Wir haben mit einer Auslastung von 2/3 mit dem Renault Zoe (weil er zu jeder Jahreszeit gefahren werden kann) und 1/3 mit dem Twizzy (der wird eher bei wärmeren Wetter gefahren) gerechnet. Es werden größtenteils kurze Fahrten zum Kino, in die Bar oder zum Restaurant in der Innenstadt sein, die schnell gehen müssen.

Leroy Hofer: Wir gehen davon aus, dass die meisten Fahrten beim E-Carsharing von Einzelpersonen getätigt werden.

Emobilität.wien: Finanziell und organisatorisch ist euer Business-Modell eine ordentliche Herausforderung. Habt ihr Unterstützer, die euch bei eurem Projekt helfen?

Leroy Hofer: Direkte Investoren und finanzielle Unterstützer gibt es nicht. Unterstützung bekommen wir von Wien Energie, die uns eine pauschalbasierte Abrechnungsweise bei Ihren Ladestellen anbieten. Denn normalerweise zahlt man die Zeit, die man für das Laden benötigt. Das bringt bei unserem Freefloating-Konzept jedoch relativ große Nachteile.

Außerdem gibt es in Österreich ein super Fördersystem. Wir werden dazu das Austrian Wirtschaftsservice (AWS) für Start-ups in Anspruch nehmen, die eine Haftung für bis zu 80 % unseres Kredites anbieten.

Nico Prugger: Wir werden auch vom städtischen Betreiber des Öffentlichen Verkehrs unterstützt. Die Wiener Linien entwickeln zurzeit eine Mobilitäts-App mit dem Namen WienMobil. Damit wollen sie alle Carsharing-Anbieter in Kombination mit dem öffentlichen Verkehrsnetz vereinen. Es soll ein multimodales System unterstützt werden. Wir scheinen bei dieser Mobilitäts-App genauso auf wie die großen Player Car2Go und DriveNow. Überdies gibt es eine Filter-Option, um sich eine CO2-neutrale Verkehrsmittelwahl anzeigen zu lassen. Da scheinen wir dann als E-Carsharing-Anbieter auf.

Emobilität.wien: Wie seht ihr die Mobilität der Zukunft in Wien. Wie passt da euer Konzept dazu. Wie ist eure Vision?

Leroy Hofer: Ich glaube, dass die Sharing-Economy alle Bereiche einnehmen wird. Nicht nur das E-Carsharing, sondern auch z. B. Elektroartikel werden untereinander vermietet. Ich glaube auch, dass das P2P-Carsharing immer größer wird. Ich persönlich halte es für wenig sinnvoll, dass die Leute in der Stadt Wien eigene Autos besitzen. Es gibt unendlich große Ressourcenverbräuche, die man mit der Sharing-Economy sehr gut in den Griff bekommen kann. Ich glaube gerade auch, dass es in Wien sehr viele Menschen gibt, die das Konzept auch gut finden und die Vorteile nutzen, die auch dazu bereit sind, mit anderen zu teilen und auch auf den Besitz von persönlichen Statussymbolen wie Autos verzichten können.

Nico Prugger: Die multimodale Fortbewegung, wie es auch die Stadt Wien in den Studien ausweist, wird die Zukunft sein. Dass man mit der U-Bahn zur Station X fährt und die restlichen fünf Minuten, wo es keine öffentliche Station gibt, mit einem Caroo-Elektroauto fährt.

Leroy Hofer: Das Optimum wäre, wenn nie ein Parkplatz belegt ist. Wenn der eine aus dem Auto aussteigt, dann steigt die nächste Person ein. Wenn das die E-Carsharing-Anbieter so dicht staffeln, dann wird das auf ein Optimum hinauslaufen. Der Parkraum stellt in meinen Augen zur Zeit einen verschwendeten Platz dar, das der wieder freigegeben wird und hoffentlich besser eingesetzt werden kann.

Emobilität.wien: Ökologie oder Freiheit. Was ist euch bei der Mobilität wichtiger?

Leroy Hofer: Wir probieren das eigentlich zu vereinen. Der Kerngedanke der hinter unserem Projekt steht, ist allerdings die umweltfreundliche Mobilität. Uns ist es wichtig, dass man sich CO2-neutral fortbewegt ohne großen Ausstoß von Feinstaub. Wenn wir einen Zusatznutzen wie Freiheit bieten können, dann ist das ein Idealkonzept, das wir anstreben.

Nico Prugger: Es ist ganz klar der Umweltgedanke. Das gleiche Konzept könnten wir mit deutlich günstigeren Verbrennungsfahrzeugen durchsetzen. Da könnten wir viel günstigere Leasingverträge bekommen. Die E-Autos sind noch deutlich teurer.

Leroy Hofer: Es geht auch noch um den Lärmaspekt. Unsere Wohngemeinschaft ist direkt beim Gürtel. Man kann einfach das Fenster kaum öffnen, ohne dass man sich unterhalten kann. Das ist echt extrem. Mit Elektroautos könnten die oft vergessene Umweltverschmutzung Lärm auch drastisch reduziert werden.

E-Carsharing in Wien mit Caroo Mobility
E-Carsharing in Wien mit Caroo Mobility
Emobilität.wien: Wie wird beim E-Carsharing das Verhältniss sein. P2P zu Freefloating?

Nico Prugger: Man sieht bei Aribnb, dass das P2P-Konzept funktioniert. Beim Auto haben wir zuerst auch an das Konzept geglaubt. Es sind aber sehr viele Leute, die das Konzept gerne als Fahrer nützen. Als Vermieter sind noch einige Autobesitzer zurückhaltender. Daher wird in den nächsten Jahren vermutlich die Dienstleistung noch im Vordergrund stehen. Ich glaube, aber dass beide Konzepte Zukunft haben.

Leroy Hofer: Ich glaube, dass wenn das P2P-Konzept aufkommt, unser Konzept nicht vom Markt gedrängt wird. Im Gegenteil, man könnte sich anpassen. E-Auto-Besitzer könnten sich dazu bereit erklären, die selbe Hard- und Software ins Auto einbauen zu lassen, die wir verwenden. Dann könnten sie ihr Auto in unser System einspeisen. Im Idealfall könnte das P2P-System so groß werden, dass wir gar keine eigenen Autos besitzen müssen, sondern dass wir einfach nur die Plattform in Stand halten. Dann erreichen wir ein E-P2P-Carsharing im Freefloating-Konzept. Das wäre ein Nonplusultra, wird aber die nächsten 10 Jahre wohl nicht realistisch sein.

Nico Prugger: In der Stadt selber sehe ich für das flexible Freefloating-Konzept ein deutlich größeres Potenzial; so um die 90 %, weil das P2P-Konzept auf andere Nutzungsformen abzielt. Zum Beispiel, um sich ein Auto auszuleihen und mehrere Tage in den Urlaub zu fahren. Das Freefloating baut auf kurze Wege auf, vielleicht nur eine Stunde oder einen Tag.

Emobilität.wien: Was liegt euch in der Debatte um das Thema E-Mobilität besonders am Herzen?

Leroy Hofer: Man muss den Leuten klarmachen, dass man den Verbrennungsmotor bereits seit 100 Jahren entwickelt und perfektioniert. Die Elektroautos jedoch erst seit einem relativ kurzem Zeitraum. Und da ist es ganz logisch, dass das E-Auto zum jetzigen Zeitpunkt noch Kinderkrankheiten hat wie geringe Reichweite oder sonstige Softwarefehler- oder ausfälle. Das braucht jetzt noch mehr Anlaufzeit. Man sollte der Technologie eine Chance geben. Es werden sich die Nachteile alle noch ändern.

Nico Prugger: Es wird oft über die Reichweite diskutiert und was mit den Akkus danach passiert. Die Elektroautos stecken noch in den Kinderschuhen. In fünf Jahren wird die Sache wieder komplett anders aussehen. Es ist die Zukunft, da die Autos mit erneuerbarer Energie geladen werden können. Somit haben sie während der Fahrt null Emissionen.

Leroy Hofer: In dem man über die E-Mobilität diskutiert, verändert sich das Bewusstsein zur eigenen Mobilität. Damit bringt man viele Leute das erste mal dazu, sich mit dem eigenen Mobilitätsverhalten auseinanderzusetzen. Viele Leute fahren mit dem Auto von A nach B und denken keine Sekunde darüber nach, was sie eigentlich damit bewirken. In solchen Diskussionen kommt es oftmals zu einer Bewusstseinsveränderung, dass man realisiert, dass das Auto ein Werkzeug ist. Und am besten funktioniert es so effizient wie möglich und hinterlässt keinen Umweltschaden.

Die Co-Founder Caroo Mobility
Die Co-Founder Caroo Mobility

Zu Caroo Mobility
Die vier Gründer von Caroo Mobility haben gemeinsamene Vorarlberger Wurzeln. Sie leben bereits einige Zeit in Wien und sind vertraut mit dem öffentlichen Systemen und der Infrastruktur. Ihr Anspruch ist eine nachhaltige Mobilität der Zukunft für Wien mitzugestalten. Dazu bieten sie ab Herbst 2017 ein E-Carsharing-System für verschiedene User-Gruppen an. Für die erste Ausbaustufe sind rund 50 Elektro-Fahrzeuge geplant.

2 Kommentare auf “Mobilität der Zukunft mit E-Carsharing in Wien

  1. Und wieder mal kein Wort darüber , wo die Fahrzeuge denn aufgeladen werden sollen , und vor allem wann , wenn sie doch idealerweise in Dauerbetrieb stehen.

  2. Lieber Sepplaut,

    die Herausforderung ist bekannt. Es fehlt in Wien eine Basisinfrastruktur. Da muss Wien endlich liefern. Die E-Autos von Caroo Mobility werden zu Beginn an halböffentlichen Plätzen (P&R-Anlagen, Tankstellen etc.) aufgeladen und dürfte so funktionieren. Ich bin schon auf weitere News von dem tollen Projekt gespannt.

    Liebe Grüße
    Jürgen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.